Im Januar 2016 fand das zweite Non-Profit-Camp zum Thema „Neue Perspektiven“ bei missio in Aachen statt. Meine Kollegin und ich tauschten uns bei dem BarCamp mit den etwas 80 anderen Gästen zu Themen wie Social Media, Marketing und den Inhalten von gemeinnützigen Organisationen aus.
Meiner Wahrnehmung nach waren etwa zwei Drittel der Teilnehmenden haupt- oder nebenamtlich bei Non-Profit-Organisationen beschäftigt, das dritte Drittel arbeitet wie wir in diesem Umfeld als Agentur, Freiberufler, Übersetzer o.ä. – insgesamt also eine spannende Mischung.
Nach der Ankunft wurden statt einer Vorstellungsrunde Fotos mit drei persönlichen Hashtags auf einer Kreidetafel geschossen und in der Cafeteria ausgehängt. Dort konnten wir uns dann auch erstmal am reichhaltigen Frühstücksbuffet etwas stärken.
Um 9 Uhr begrüßte das Orga-Team die Teilnehmenden und stimmte uns auf einen spannenden, abwechslungsreichen Tag ein. In der Session-Planung wurden die Vorschläge kurz vorgestellt, je nach Interesse des Publikums wurden die Räume und Ablauf geplant. Da mein Vorschlag zum Thema „Analoge Kampagnen“ auf erstaunlich viel Resonanz stieß, fand die Session nach der Mittagspause im großen Raum statt.
Im Eröffnungsvortrag stellten Meike Fernandez-Steeger und Corina Pahrmann das Buchprojekt „Fadi koch syrisch“ vor. Im unterhaltsamen Vortrag beschrieben sie, wie sie mit dem aus Syrien geflüchteten Fernsehkoch Fadi Alauwad, der mittlerweile in Aachen lebt, in nur 8 Wochen ein Kochbuch auf den Markt brachten. Das Besondere: die Einnahmen aus dem Buchverkauf wurden an SyrienHilfe e.V. gespendet. Das Herausfordernde: es gab keinen Verlag, sondern 11 engagierte Ehrenamtliche, die Layout, Fotografie, Druck, Marketing, Vertrieb etc. komplett selbst organisierten.
Interessante Erkenntnisse aus dem Marketing: das Team konzentrierte sich auf Facebook, mit wachsenden Fan-Zahlen entstand aber auch erheblicher Aufwand für die Betreuung der Community. Die Versuche prominente Fernsehköche für das Projekt zu gewinnen schlugen leider fehl, und trotz direkter Ansprache haben nur wenige Blogger über „Fadi kocht syrisch“ geschrieben. Größeren Erfolg hatten klassische Instrumente wie Pressearbeit und Signierstunden.
Eine bewegende Geschichte, die mir mal wieder klar machte, warum ich so gerne für gemeinnützige Organisationen arbeite.
Die Auswahl für die erste Session-Runde fiel mir nicht schwer: Tobias Sauer überzeugte mich schon in der Vorstellungsrunde mit dem Thema „Kirche und Social Media“. Der Theologe, Blogger und Science Slammer aus Trier leitete in seiner Session Öffentlichkeits- und SoMe-Arbeit theologisch her und brachte Kernaussagen auf einprägsame Formeln: „Bloggen ist ein Verkündigungsdienst“ und im Sinne des „Priestertums aller Gläubigen“ hat jeder Christ auch den Auftrag dazu. Im Vergleich dazu ist die Szene christlicher Blogger erstaunlich klein. Länger in Erinnerung blieb mir die Randbemerkung, dass Rechtskonservative im Netz überproportional stark vertreten sind. Ich vermute, es gibt auch online mehr liberale Christen, aber diese verstehen sich nicht dezidiert als solche und melden sich in Debatten seltener lautstark zu Wort.
Nach der Mittagspause war meine Session „Wie analoge Kampagnen die Öffentlichkeit erreichen“ an der Reihe. Ich hatte mich für meine Session-Premiere eher auf eine etwas kleinere Gruppe eingestellt, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
Noch etwas nervös startete ich mit der Frage „Was ist eigentlich eine Kampagne?“; meine Definition: gerichtete Kommunikation mit definierten taktischen und strategischen Zielen, zeitlich begrenzt und einer Dramaturgie folgend. Die Einstiegsthese lautete „Klassische Werbung kommt immer seltener an“ – wir nutzen Adblocker, schalten bei TV-Werbung um und auf unserem Briefkasten klebt ein „Bitte keine Werbung“-Aufkleber. Es folgten ein paar lustige Beispiele wie Guerilla-Marketing als Kampagnen-Mittel gegebene Situationen ausnutzten kann. Den Lachern und Tweets zufolge kam dieser Teil besonders gut an – da ging mein Plan wohl auf 😉
Nach einem Theorieteil zu Zielgruppen und Kampagnen-Planung folgten Best-Practice-Beispiele mit denen ich versuchte die enorme Bandbreite für Aktionen und Kampagnen im öffentlichen Raum darzustellen und Lust auf solche Aktionen zu machen: von der Atomkraftwerks-Besetzung durch Greenpeace, der interaktiven Kampagne „Free the forced“ der Vereinten Nationen bis hin zu subversiven Kampagnen wie „Die Toten kommen“ vom Zentrum für politische Schönheit.
Da ich mich für eine kürzere Session-Zeit vorbereitet hatte, wollte ich nach dem etwa 30-minütigen Vortrag das Publikum einbeziehen. Das klappte nicht sofort so gut, wie ich gehofft hatte, nach dem ersten Zögern kamen dann doch einige interessante Aspekte auf. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Übertragung der vorgestellten Aktionen auf die eigene Organisation mit kleineren Budgets schwer fiel. Ein paar Beispiele von kleineren Kampagnen konnte ich dann aus der eigenen Arbeit ergänzen.
Für meinen nächsten Vortrag habe ich mir vorgenommen darauf zu achten, mich inhaltlich stärker am Publikum zu orientieren und ein Ende mit Fazit, Diskussion o.ä. genau so gut zu vorzubereiten wie den Einstieg. Die Folien der Session kann man sicher hier nochmal anschauen:
In angenehm kleiner Runde erfuhr ich im Anschluss in Jörg Albrechts Session, wie und warum er den autofreien Kurierdienst Citylogistic Aachen (CLAC) gegründet hat. Der lokale Kurierdienst setzt auf Lastenfahrräder und eine eigens entwickelte Software, die die Fahrten koordiniert. Ein wichtiger Beitrag um die Verkehrssituation und Umweltbelastung zu verringern.
In der letzten Runde lud Axel Jansen von der Bleiberger Fabrik zu einer Brainstorming-Session zum Thema „Digitale Flüchtlingshilfe“ ein. Axels Ausgangsidee war eine Platform oder App mit der Flüchtlinge ihre Kompetenzen etc. zum Tausch anbieten können: z.B. Haare schneiden gegen Deutschunterricht o.ä.. Eine Stunde wurde rege über verschiedene Varianten diskutiert. Benedikt Kurz vom DRK Witten berichtete z.B. von den ernüchternden Erfahrungen mit einer App-Lösung, weil es sehr schwer ist, mit einem eigenen System eine kritische Masse zu erreichen. Die Mediaperlen Kati Tiedgen und Meike Fernandez-Steeger regten zum Schluss an, zunächst eine einfache Facebook-Seite zu nutzen und dann ggf. später auszubauen. Statt Zeit und Energie über Wochen oder Monate in ein Projekt mit ungewissem Erfolg zu investieren erhält man mit der einfachen und nahe liegenden Lösung sehr schnell brauchbare Ergebnisse.
Zur Verabschiedung kamen nochmal alle zusammen und ließen den Tag Revue passieren. Eigentlich ist der Name „Non Profit Camp“ nicht ganz passend, denn ich glaube alle Teilnehmenden haben profitiert: ein abwechslungsreicher Tag mit vielen informativen und unterhaltsamen Sessions. Mindestens genau so anregend wie die Sessions fand ich mal wieder die Gespräche im Flur und in der Kantine. In der lockeren Atmosphäre kommt man schnell mit miteinander ins Gespräch und kann über die eigenen Tellerränder blicken – und deswegen geht man ja auf ein BarCamp.
Vielen Dank an das Orga-Team, an missio und die Sponsoren! Ich freue mich auf das nächste Mal.